Tibialis Posterior Syndrom
Ursache und Krankheitsbild
Das Tibialis Posterior Syndrom beginnt häufig mit belastungsabhängigen Schmerzen unter und hinter dem Innenknöchel. Patienten beobachten dann vor allem bei längerer Belastung im Alltag immer wiederkehrende Probleme. Synonym dieser Erkrankung: Tibialis Posterior Dysfunktion. Im weiteren Verlauf schmerzt der Fuß sogar bei jedem Schritt und in besonders schweren Fällen kann die Tibialis Posterior Sehne ihre Funktion nicht mehr übernehmen und reißt ab. Folglich kommt es zum deutlichen Abflachen des medialen Fußgewölbes – ein schwerer Knick-Senkfuß entsteht.
Auslöser des Tibialis Posterior Syndroms
Ursache ist meist eine lange anhaltende mechanische Überlastung der Fußinnenseite wie beim Knick-Senk-Spreizfuß. Denn die Tibialis Posterior Sehne stabilisiert die Innenseite des Fußes und wird deshalb beim Knick-Senkfuß deutlich mehr belastet, was zu Entzündung und Verschleiß der Sehne führen kann. Auch Rheumatoide Arthritis oder Gicht kommen als häufige Ursachen des Tibialis Posterior Syndroms in Frage.
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Diagnostik bei Tibialis Posterior Syndrom
Zunächst muss die Ursache des Tibialis Posterior Syndroms geklärt werden. Dazu nutzen wir in unserer Praxis zunächst die ärztliche Untersuchung, Sonografie und dynamische Pedobarografie. Das typische Zeichen eines Tibialis Posterior Syndroms sind Schmerzen hinter und unter dem Innenknöchel beim Einbeinzehenstand (single heel rise test). In ausgeprägten Fällen können Patienten die Ferse des betroffenen Fußes im Einbeinstand sogar überhaupt nicht mehr anheben.
Die Stabilisierung des Fußes beim Einbeinstand ist eine wichtige Aufgabe der Tibialis Posterior Sehne – daher nennt man diese Erkrankung auch Tibialis Posterior Dysfunktion.
Bei der ärztlichen Untersuchung muss geklärt werden, ob eine relevante Verkürzung der Achillessehne als Teil des Problems vorliegt (Silfverskjöld-Test). Außerdem sollte unterschieden werden, ob noch eine flexible Fehlstellung vorliegt oder schon eine rigide Fehlstellung (Einsteifung) des Rückfußes eingetreten ist (Jack-Test).
Laboruntersuchungen
Falls Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (z.B. Rheumatoide Arthritis oder Gicht) eine Rolle spielen könnten, klären wir dies in der Praxis mit speziellen Laboruntersuchungen. Viele unserer Patienten kommen auch schon mit dem Wissen in die Praxis, dass Sie an einer Rheumatoiden Arthritis leiden.
DVT und MRT bei Tibialis Posterior Syndrom
Vor allem die bildgebenden Verfahren spielen bei der Diagnostik und Therapieplanung des Tibialis Posterior Syndroms eine entscheidende Rolle: Mit Hilfe des DVT kann die Fußstatik exakt bestimmt werden und das MRT zeigt Entzündung sowie Degeneration der Tibialis Posterior Sehne.
Vorsicht: das für den Arzt bei der Untersuchung offensichtliche Tibialis Posterior Syndrom muss sich nicht im MRT als darstellbare strukturelle Veränderung zeigen. Dafür gibt es nach unserer Erfahrung drei wesentliche Gründe:
- Ganz zu Beginn eines Tibialis Posterior Syndroms sind noch keine nachweisbaren strukturellen Veränderungen aufgetreten
- Um die Tibialis Posterior Sehne im MRT gut darstellen zu können, ist eine spezielle Technik und Einstellung am MRT nötig
- Die Ortsauflösung älterer MRT Geräte ist oft nicht sehr gut, so dass kleine Veränderungen der Tibialis Posterior Sehne mit solchen Geräten nicht nachgewiesen werden können
Typische Untersuchungsergebnisse beim Tibialis Posterior Syndrom
In ausgeprägten Fällen sehen wir regelmäßig Druckschmerz und Schwellung hinter dem Innenknöchel im Bereich der Tibialis Posterior Sehne, ausgeprägte Entzündung der Tibialis Posterior Sehne bei der Ultraschalluntersuchung und der speziellen SMI-Untersuchung. Zusätzlich eine ausgeprägte Knick-Senkfußfehlstellung in der Pedobarografie und in der Digitalen Volumentomografie sowie degenerative Sustanzdefekte der Tibialis Posterior Sehne im MRT.
Therapie Tibialis Posterior Syndrom
Kurzfristige Besserung
Ziel ist es, die Tibialis Posterior Sehne zu entlasten. Zur kurzfristigen Beschwerdelinderung werden meist kräftig stützende passive Einlagen in Kombination mit entzündungshemmenden Medikamenten und Kinesiotape eingesetzt. Zudem sollten die Schuhwahl angepasst (z.B. knöchenübergreifende Wanderschuhe) und das Aktivitätsniveau vorübergehend eingeschränkt werden. Sobald alle medizinischen Fakten und Bilder vorliegen, kann ein zielgerichteter Therapieplan erstellt werden.
Funktionell-konservative Therapie
In milden Fällen führt die funktionell-konservative Therapie zu sehr guten Erfolgen. Neben passiven und aktiven Einlagen kommen hier Methoden wie Kinesiotape, Trainingstherapie, elektronische Muskelstimulation und speziell angepasste Physiotherapiekonzepte zum Einsatz. In ausgeprägt schmerzhaften Fällen ist zu Beginn eine Entlastung mit Gehstützen notwendig. In Allen Fällen ist die Entlastung der Tibialis Posterior Sehne das Ziel. Falls Rheumatoide Arthritis oder Gicht eine Rolle spielen, sollten diese Erkrankungen unbedingt konsequent therapiert werden.
Operative Therapie
Bei fortgeschrittener Degeneration oder vollständigem Funktionsverlust der Tibialis posterior Sehne ist eine operative Therapie angezeigt. Hier kommen dann komplexe fußchirurgische Operationen wie Fersenumstellung, Sehnentransfers und als letztes Mittel Gelenkversteifungen zum Einsatz, die von Dr. Böhr individuell auf die jeweilige Situation des Patienten angepasst werden.
Die Auswahl der OP Methoden richtet sich nach der Hauptdeformität des Knochens. Fast ausnahmslos handelt es sich dabei um einen schweren Knick-Plattfuß, so dass eine komplexe Planung der knöchernen Korrektur erforderlich ist.
Die alleinige Operation an der Tibialis Posterior Sehne als isolierter Weichteileingriff ist nicht erfolgversprechend. Einzige Ausnahme sind schwere Entzündungen der Tibialis Posterior Sehne bei ausgeprägter Rheumatoider Arthritis – hier kann in Ausnahmefällen die alleinige Operation an der Tibialis Posterior Sehne und dem Sehnengleitgewebe ausreichend sein.
Tibials Posterior Syndrom – wie schlimm ist es bei mir?
Um zu entscheiden wie ausgeprägt das Tibialis Posterior Syndrom bei einem Patienten ist, nutzen spezialisierte Fußchirurgen die Einteilung nach Johnson und Strom (1989) mit der Ergänzung nach Myerson (1995). Es werden 4 Stadien des Tibialis Posterior Syndroms (auch: Tibialis Posterior Dysfunktion) unterschieden.
Nur nach genauer Analyse kann Ihr Fußspezialist die Therapie individuell für Sie festlegen. Um die Einteilung für Patienten und Interessierte besser nutzbar zu machen, erfolgt hier die Darstellung in verkürzter und vereinfachter Form:
Stadium 1 nach Johnson und Strom
- Beginnende Schmerzen hinter / unter dem Innenknöchel
- Einbeiniger Zehnstand schmerzhaft
- Noch keine schwere Fußfehlstellung
- MRT: oft normal ohne Auffälligkeiten
- Behandlung: fast immer ohne Operation möglich
Vor allem im Stadium 1 der Tibialis Posterior Dysfunktion wird die Diagnose oft mit deutlicher Verzögerung oder gar nicht gestellt. Für Patienten ist das von großer Bedeutung, denn in dieser Phase der Erkrankung ist eine Therapie fast immer noch ohne Operation möglich.
Stadium 2 nach Johnson und Strom
- Deutliche Schmerzen hinter / unter dem Innenknöchel
- Einbeiniger Zehenstand sehr stark schmerzhaft
- Flexible Fußfehlstellung – ausgeprägter Knick-Senkfuß
- MRT: auffällige Tibialis Posterior Sehne
- Behandlung: operativ mit Fersenosteotomie und Sehnentransfer
Was ändert diese Einteilung an meiner Behandlung?
Im Stadium 1 und 2 der Tibialis Posterior Dysfunktion ist das Ziel der Therapie ein voll beweglicher und belastbarer Fuß.
Ab Stadium 3 ändert sich das Ziel der Behandlung: möglichst schmerzfrei, dafür müssen aber Einschränkungen bei der Beweglichkeit in Kauf genommen werden. Denn wichtige Gelenke haben beim Tibialis Posterior Syndrom im Stadium 3 und 4 durch die Fehlstellung bereits eine Arthrose entwickelt. Das bedeutet: auch wenn die Fehlstellung beseitigt wird (wie bei der Therapie im Stadium 2) verbleibt die Arthrose und verursacht Schmerzen. Aus diesem Grund müssen die von der Arthrose veränderten Gelenke versteift werden.
Stadium 3 nach Johnson und Strom
- Deutliche Schmerzen unter Innen- und Außenknöchel
- Einbeiniger Zehenstand meist unmöglich
- Fixierte Fehlstellung, Arthrose der betroffenen Gelenke
- MRT: Längs- / Querruptur der Tibialis Posterior Sehne
- Behandlung: Versteifung der betroffenen Gelenke in korrigierter Stellung
Stadium 4 – modifizert nach Myerson
- Wie Stadium 3, jedoch zusätzlich Arthrose im oberen Sprunggelenk
- Behandlung: zusätzlicher Eingriff am oberen Sprunggelenk notwendig